Erfahrung, Empathie, Empowerment, Engagement
René Märtins Konzept des »Existenziellen Empowerments« basiert auf den vier essenziellen Säulen Erfahrung, Empathie, Empowerment und Engagement und integriert dabei zentrale existenzielle Ideen von Denkern wie Hannah Arendt, Jean-Paul Sartre und Albert Camus.
Erfahrung
»Wir sind unsere Entscheidungen.« Jean-Paul Sartre (Das Sein und das Nichts, 1943)
Erfahrung bezeichnet das Wissen, die Fähigkeiten und die Einsichten, die eine Person durch direkte, praktische Auseinandersetzung oder Erlebnisse über einen bestimmten Zeitraum hinweg erwirbt. Sie entsteht durch das Sammeln von Eindrücken und das Bewältigen von Herausforderungen in unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen. Erfahrung ermöglicht es Menschen, aus vergangenen Situationen zu lernen und fundierte Entscheidungen in ähnlichen zukünftigen Situationen zu treffen.
Jean-Paul Sartre betont, dass der Mensch zur Freiheit verurteilt ist und sich nur durch seine Handlungen und Entscheidungen definiert. In diesem Sinne erlangt der Mensch Erfahrung nicht passiv, sondern aktiv durch das bewusst gewählte Erleben von Situationen und das Übernehmen von Verantwortung für seine Taten. Erfahrung ist daher die Ansammlung individueller Akte des Wählens und Handelns, durch die das Selbst im Spannungsfeld von Freiheit und Verantwortung geformt wird. So trägt jede Erfahrung zur Konstruktion der eigenen Existenz bei und ist damit weit mehr als bloß angesammeltes Wissen – sie ist die konkrete Ausgestaltung des eigenen Seins.
Empathie
»Das Wesen des Menschen ist, dass er viele ist.« Hannah Arendt (Vita Activa oder Vom tätigen Leben, 1958)
Empathie bedeutet die Fähigkeit, sich in die Gefühle, Gedanken und Perspektiven anderer Menschen hineinzuversetzen und ihre Emotionen nachzuvollziehen. Es umfasst das Verständnis für die Erfahrungen und Bedürfnisse anderer und das Mitfühlen mit deren emotionalen Zustand, ohne dass man diese Gefühle selbst erlebt. Empathie fördert zwischenmenschliche Beziehungen, indem sie hilft, respektvoll und verständnisvoll zu kommunizieren und auf andere einzugehen.
In der Philosophie von Hannah Arendt steht das Verstehen der Welt durch die „Pluralität“ der Perspektiven im Zentrum, was dem Konzept der Empathie nahekommt. Empathie wird so zur Grundlage der Begegnung, indem sie den Menschen aus seiner isolierten Subjektivität heraustreten lässt, um die Welt aus den Augen des Anderen zu sehen. Dieser Perspektivenwechsel ermöglicht ein tiefes Verständnis der gemeinsamen Welt und führt zu einem verantwortungsvollen Handeln, das die Existenz und Freiheit des Anderen respektiert. Empathie verbindet uns auf einer grundlegenden, existenziellen Ebene und ist der Akt, durch den wir in Arendts Sinne menschlich werden.
Empowerment
»Die einzige Art, gegen die Pest zu kämpfen, ist die Ehrlichkeit.« Albert Camus (Die Pest, 1947)
Empowerment bedeutet, Menschen dazu zu befähigen und zu ermutigen, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und ihre Fähigkeiten und Potenziale zu nutzen. Es beinhaltet die Förderung von Autonomie, Selbstvertrauen und Kompetenzen, um Herausforderungen zu meistern und Kontrolle über die eigene Lebenssituation oder berufliche Entwicklung zu erlangen. Empowerment zielt darauf ab, Menschen zu stärken, sodass sie aktiv und eigenverantwortlich an gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Prozessen teilnehmen können.
Albert Camus beschreibt in „Der Mythos des Sisyphos“ den Menschen als Wesen, das in einer absurden Welt durch die eigene Wahl eine Haltung der Revolte entwickeln kann. Empowerment ist damit eng verbunden, denn es bedeutet, dass der Mensch sich trotz der Widrigkeiten des Lebens und der Absurdität der Existenz als Schöpfer seines eigenen Schicksals versteht. Diese innere Revolte führt zu einer Selbstermächtigung, in der der Mensch die Freiheit entdeckt, sich selbst zu gestalten und sein Leben aktiv in die Hand zu nehmen. Empowerment wird so zur individuellen Antwort auf das absurde Leben und eine Art, Bedeutung zu schaffen, wo es scheinbar keine gibt.
Engagement
»Die Existenz geht der Essenz voraus.« Jean-Paul Sartre (Der Existentialismus ist ein Humanismus, 1946)
Engagement beschreibt das aktive Einbringen von Energie, Zeit und Einsatz in eine Aufgabe, ein Projekt oder eine Beziehung. Es ist die Bereitschaft, sich mit voller Aufmerksamkeit und Hingabe einer Sache zu widmen, sei es im beruflichen Kontext, im Ehrenamt oder im privaten Leben. Engagement geht über das bloße Erfüllen von Aufgaben hinaus; es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und sich für das Erreichen von Zielen oder das Wohl anderer einzusetzen. Menschen, die sich engagieren, tragen wesentlich zum Erfolg von Gemeinschaften, Organisationen und Projekten bei, indem sie durch ihre Entschlossenheit und Ausdauer andere inspirieren und mitziehen.
Für Sartre ist Engagement die Verwirklichung der Freiheit durch Handeln in der Welt – es ist die bewusste Entscheidung, sich für Werte oder Ziele einzusetzen, die den eigenen Überzeugungen entsprechen. In einer Welt, in der der Mensch für die Bedeutung seiner Existenz selbst verantwortlich ist, wird Engagement zum aktiven Ausdruck seines Seins und seiner ethischen Verpflichtung. Indem sich der Mensch engagiert, gestaltet er nicht nur die Welt, sondern gibt seiner Existenz eine Bestimmung, die über das Individuelle hinausgeht. Engagement ist somit das ethische Wagnis, die eigene Freiheit in Verantwortung für das Wohl des Anderen und der Gemeinschaft einzusetzen.