Die Führungsaufgabe steht im Spannungsfeld zwischen den gegebenen Bedingungen und Notwendigkeiten und (freiwilliger) Kooperation. Einige der Fragen, mit denen sich jede Person auseinander setzen muss, die Verantwortung innehat: Welche Aufgaben hat wirksame Führung eigentlich? Was muss angesichts der besonderen Führungssituation vor allem in werteorientierten Organisationen beachtet werden? Was kann und muss Führung leisten, damit die gemeinsamen Ziele z. B. eines Teams auch erreicht werden? Die Bereitschaft des Einzelnen zur Kooperation wächst unter anderem in dem Maße, in dem durch die Führung ein organisationaler wie personaler Rahmen gesetzt wird, in dem die Eigenentwicklung und Autnomie, aber auch die (Eigen-) Verantwortlichkeit der Mitarbeitenden gefördert und bestärkt wird.
Unter dem Stichwort »Existenzielle Führung« greife ich in meiner Arbeit auf den Ansatz der »vier Grundmotivationen« (nach Alfried Längle) zurück, der sich seit einem Vierteljahrhundert bereits in Psychotherapie, Beratung, Pädagogik, Seelsorge, Sozialarbeit, Coaching und Management und in anderen Arbeitsfeldern bewährt hat. Die hier beschriebenen menschlichen Grundmotive zeigen eindrücklich die Grundstruktur der Person: Der Mensch zeigt in seiner Existenz (bewusst wie unbewusst) fundamentale Strebungen nach Sicherheit, Werterleben, Selbstsein und sinnvollem Handeln. Diese Strebungen haben eine direkte Auswirkung auf das Tun oder Unterlassen aller Mitarbeitenden innerhalb einer Organisation. Die Person in Führungsverantwortung steht dabei vor der besonderen Herausforderung, sich selbst und andere so zu führen, dass die Berücksichtigung dieser Grundmotivationen im Organisations- und Arbeitsalltag zu einer gelungenen und guten Zusammenarbeit führt.
Dieser existenzielle Ansatz fokussiert für die Führungsaufgabe spezifische Themenfelder und Aufgabenbereiche, die sich in vier Dimensionen aufgliedern (nach Helmut Dorra und René Märtin):
1. Management – 2. Miteinander – 3. Mitarbeit – 4. Motivation
Die vier Dimensionen existenzieller Führung:
Für Sicherheit sorgen – Leading through Results
Informations- und Organisationskultur
Rahmenbedingungen, Definition von Zuständigkeiten und Aufgabengebieten, Regelung der Arbeitsabläufe, Absprachen und Verbindlichkeiten, Kommunikation
Die erste Dimension existenzieller Führung »Management« umfasst die Informations- und Organisationskultur einer Organisation. Auf dieser Ebene ist die Hauptaufgabe der Führungsperson, für einen Rahmen zu sorgen, der Sicherheit im weitesten Sinne gewährleistet: für sich selbst, die Organisation, die Mitarbeitenden … Die Mitarbeitenden wiederum sind aufgefordert, den organisatorischen Bedingungen und Vorgaben gegenüber ihre Zustimmung zu geben.
Beziehungen ermöglichen – Leading through Relationship
Beziehungs- und Partizipationskultur
(emotionale) Beteiligung in und Teilhabe an der Zusammenarbeit im Team, zwischenmenschliche Beziehungen, Arbeitsklima, Stimmung und Atmosphäre, Interesse und Anteilnahme (an anderen)
Die zweite Dimension existenzieller Führung »Miteinander« umfasst die Beziehungs- und Partizipationskultur einer Organisation. Auf dieser Ebene ist die Hauptaufgabe der Führungsperson, für einen Rahmen zu sorgen, der Beziehung im weitesten Sinne gewährleistet: für sich selbst, die Organisation, die Mitarbeitenden … Die Mitarbeitenden wiederum sind aufgefordert, sich auf Teamarbeit grundsätzlich einzulassen und die Ziele der Organisation als gemeinsame Aufgabe mitzutragen und zu verantworten.
Eigenverantwortung fördern – Leading through Commitment
Leistungs- und Anerkennungskultur
Beachtung und Würdigung des Einzelnen, Auseinandersetzung und Dialog im Gegenüber, Kritik und Anerkennung, gemeinsamer Nenner (Commitment), Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Beteiligten im Team
Die dritte Dimension existenzieller Führung »Mitarbeit« umfasst die Leistungs- und Anerkennungskultur einer Organisation. Auf dieser Ebene ist die Hauptaufgabe der Führungsperson, für einen Rahmen zu sorgen, der für ausreichend Beachtung aller Mitarbeitenden im weitesten Sinne sorgt: für sich selbst, die Organisation, die Mitarbeitenden – und dieses sowohl in Hinsicht auf die Leistung des Einzelnen, aber auch in Hinblick auf die Anerkennung dieser. Die Mitarbeitenden wiederum sind aufgefordert, sich ihrer eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden, die eigenen (Selbst-)Verwirklichungspotenziale zu kennen und zu nutzen, sich Feedback und Kritik zu stellen, ohne ins Rechtfertigen zu kommen und sich grundsätzlich darauf einzustimmen, einen Eigenanteil an der Gesamtleistung der Organisation zu verwirklichen.
Sinnerfahrungen vermitteln – Leading through Visions
Werte- und Sinnkultur
Werte, Visionen, Arbeitsziele, Qualitätsentwicklung, (Zukunfts-) Perspektiven, Zielvorgaben, verbindliche Aufträge
Die vierte Dimension existenzieller Führung »Motivation« umfasst die Werte- und Sinnkultur einer Organisation. Auf dieser Ebene ist die Hauptaufgabe der Führungsperson, für einen Rahmen zu sorgen, der Sinnstiftung im weitesten Sinne erlaubt: für sich selbst, die Organisation, die Mitarbeitenden – und dieses sowohl in Hinsicht auf die Wertvorstellungen und sinnhaftige Arbeit des Einzelnen, als auch in Hinblick auf ein sinnvolles Arbeiten insgesamt. Bei den Mitarbeitenden bedarf es der Zustimmung, sich für die gemeinsame Sache einzusetzen, das Konzept miteinander zu tragen, die Zielbestimmungen, Zukunftsperspektiven und Leitbilder / Visionen mit verwirklichen zu wollen und den gemeinsamen Wertbezug zu suchen, der eine Identifiktaion mit der Organisation ermöglicht.